Inna Chodorkwskaja aus Russland

Iinnachodorkovskaja
Inna Chodorkovskaja (Frau von Chodorkovsky)
nterview: Daniel Brössler, Foto: Thomas Dworzak

SZ-Magazin: Frau Chodorkowskaja, wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?
Inna Chodorkowskaja: Das war am 25. Oktober 2005. Ich hatte die erste Besuchsgenehmigung für das Gefängnis von Krasnokamensk. Ich weiß nicht, warum sich das so gefügt hat, aber das war genau zwei Jahre nach seiner Verhaftung am 25. Oktober 2003.

Krasnokamensk liegt im Osten Sibiriens, an der chinesischen Grenze. Welchen Eindruck hat es auf Sie gemacht?
Es sieht aus wie eine Plattenbausiedlung in Moskau. Das kam mir vertraut vor. Ich habe Jahrzehnte in so einer Schlafstadt gewohnt.

Sie durften mit Ihrem Mann drei Tage verbringen. War es nicht eigenartig, mit ihm im Gefängnis zusammen zu sein?
Natürlich war es das, sehr eigenartig sogar. Jeder Schritt war merkwürdig und ungewohnt. Streng genommen war das aber nicht im Gefängnis, sondern auf einer Art neutralem Territorium. Ich war nicht im Gefängnis und er nicht in Freiheit. Das war die Linie, die uns trennte – dieses Gefühl, dass du nirgendwo bist. Nicht hier, nicht dort.

Wie hat dieser Ort ausgesehen?
Wie ein Wohnheim. Ich war nie in einem Studentenwohnheim, aber so stelle ich es mir vor: ein langer Gang, rechts und links neun Zimmer, und Küche und Bad gemeinsam. Alles sah genau so aus wie zu sowjetischer Zeit. Nichts hat sich verändert.

Haben Sie an Ihrem Mann neue Seiten entdeckt?
Es ist unglaublich, wie er sich unter diesen Bedingungen hält. Aber diese Stärke hatte er wohl immer. Er ist ein sehr stabiler Mensch mit festgefügten Positionen. Deshalb ist auch er selbst nicht umzustoßen. Im zivilen Leben war es ja nicht anders. An ihm kamst du nicht vorbei. Nun geschieht dort im Gefängnis das Gleiche. Als seine Frau wusste ich immer, dass er ein starker Mensch ist. Er ist keiner, der zweifelt, fragt, um Rat bittet.

So war er schon, als Sie ihn Mitte der achtziger Jahre kennen lernten?
Wir arbeiteten im gleichen Unternehmen. Er ist schon damals an alles sehr ernsthaft herangegangen, nie oberflächlich. Und er hat immer geführt. Er war ein Führer.

Er ist Ihnen also gleich aufgefallen?
Das ging schrittweise. Es war nicht so, dass ich gesagt hätte: Das ist nun der Mann meines Lebens. Uns hat damals die Arbeit im Kommunistischen Jugendverband Komsomol verbunden. Über die Arbeit kamen wir uns näher. Mischa war immer sehr direkt, hat mit seinen Absichten nicht hinterm Berg gehalten. Ich wusste also schnell, woran ich war.

Was wissen Sie heute über das Leben, den Alltag Ihres Mannes?
Nicht mehr, als alle wissen. Ich weiß, dass er arbeiten muss, dass er aber auch an die frische Luft kommt. Es ist kalt dort, aber sonnig.

Ihr Mann muss als Näher arbeiten. Soll er erniedrigt werden?
Er soll abstumpfen. Es ist eine mechanische Arbeit, wie am Fließband. Dabei ist er gewohnt, mit dem Kopf zu arbeiten. Aber sie werden keinen Erfolg haben. Mischa ist ein starker Mensch und versteht, was sie mit ihm machen und was sie erreichen wollen. Sie wollen ihn zu einer Marionette degradieren. Das versteht er und das ist gut so.

Worunter leidet Ihr Mann in der Haft am meisten?
Am Mangel an Informationen. Ab Januar wurde ihm gestattet, die Moskauer Zeitungen und Magazine zu abonnieren, doch sie sind bisher nur ein einziges Mal angekommen. Das ist schlimm für ihn.

Ihr Mann hat Sie die Frau eines Dekabristen genannt. Das waren jene Frauen, die im 19. Jahrhundert ihren vom Zaren verbannten Männern nach Sibirien gefolgt sind. Wollten Sie wirklich diese Rolle spielen?
Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte die Frau meines Mannes sein. Das ist alles. Aber die Lage lässt mir keine Wahl. Ich bin mit dieser Lage allein. Wer will, kann mir ein Etikett aufkleben, aber darauf kommt es nicht an.

Können Sie diese Lage beschreiben?
Unser Alltag dreht sich um Gefängnisangelegenheiten. Es ist ein Leben im Wartestand. Du kannst die Gedanken daran nicht abschalten. Sie sind den ganzen Tag da. Kann man das ein vollwertiges Leben nennen? Wohl kaum.

Was kommt Ihnen heute wirklicher vor – dieses Leben als Ehefrau eines Häftlings oder das Leben als Frau des reichsten Mannes Russlands?
Beide sind real. Dieses Leben und das andere. Ich nehme dieses Leben an. Das heißt aber nicht, dass ich mich damit abfinde. Das heißt nicht, dass ich den Kampf aufgebe.

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Allesia Olivone

SchwarzwiedieNacht

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